Sexarbeit  - Thomas Aeffner

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Thomas Aeffner Interview 

Was ist dein Fachgebiet? Welche Leistungen erbringst/welche Wünsche erfüllst du?

Ich bin Sexualbegleiter und Sexualassistent. Das ist ein ganz spezielles Fachgebiet innerhalb der Sexarbeit. Es ist auch ein ganz spezielles Fachgebiet innerhalb der Pflege- und Assistenzdienstleistungen. Und ein ganz spezielles innerhalb der Sexualpädagogik.
Man sieht schon, es ist mehr als "nur" Sex, aber es ist - in meinem Verständnis meiner Arbeit- ganz wesentlich auch Sex.
Ein wenig auch "Sexual Healing" (bitte jetzt im Geist im Hintergrund den Song von Marvin Geye abspielen).
Ich bin also vor allem für alte Menschen und Menschen mit körperlichen, geistigen oder auch psychischen Behinderungen da, um ihnen zu ermöglichen, ihre Sexualität zu (er)leben. Manche meiner Klient*innen haben dabei noch gar keine, manche noch keine schönen Erfahrungen gemacht und anderen fehlt einfach ein passender Partner, sodass sie auf professionelle Hilfe zurückgreifen wollen oder müssen. Ich bin für manche ein Übungspartner, mit dem sie partnerschaftlichen Sex erlernen, für manche eben "der" Partner, mit dem sie ihren Sex leben. Es geht dabei immer um Nähe, körperlich und emotional. Mit manchen sitze ich erstmal nur zusammen und wir halten uns an den Händen, nehmen uns mal in den Arm, streicheln uns höchstens mal über den Rücken - es geht dann eher darum, dass ich mental präsent bin und sie sich wahrgenommen erleben. Mit anderen geht es schon recht zügig ins Bett und wir erkunden, was da so alles möglich und schön ist. Das ist so der Spannungsbogen: sich gesehen wissen, als Mensch wahrgenommen und gewertschätzt zu sehen, sich als Frau, als erotisch-sexuelles Wesen zu erleben, sich da ausleben zu können. Wie gesagt: es ist auch eine sexuelle Dienstleistung, aber es ist gleichzeitig meist so viel mehr und es kommt aus tiefstem Herzen. Menschen, die das nicht selbst erfahren haben, können sich meist gar nicht vorstellen, dass so etwas für Geld zu haben ist. Ist es ja auch nicht wirklich, denn für Geld gibt es die Zeit mit mir, die meist sehr innigen Begegnungen sind (Zitat) "unbezahlbar".
Man muss übrigens nicht alt oder behindert zu sein, um meine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, es kommen auch Frauen zu mir, die auf liebevolle Weise Sex haben möchten, ohne eine Beziehung eingehen zu wollen, aber auch Frauen, die sexuell mißbraucht worden sind und sich nun ihre Sexualität in einem sicheren Umfeld und mit professioneller Hilfe  wieder zurückholen wollen.
Eigentlich möchten die meisten einen Partner, ich bin dann halt der Übungspartner, Surrogatpartner, Partner auf Zeit. Ich spiele dabei nichts vor, ich gehe offen und ehrlich in jede Begegnung, es gibt ehrliches Feedback auf das Verhalten.
Die vielleicht wichtigste Leistung, die ich erbringe, ist dass ich Menschen dabei helfe, selbständig und selbstbewußt zu werden, emanzipiert zu werden. Stichwort „Empowerment" Und das tue ich, in dem ich ihnen helfe, ihre eigene Sexualität zu leben.
Eben durch "Sexual Healing".

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Wie ist dein Werdegang - wie und warum bist du zur Sexarbeit gekommen?
Ich habe Kunst und Germanistik für das Lehramt Sek.II studiert und nach dem 2. Staatsexamen habe ich mich dazu entschieden, als freiberuflicher bildender Künstler zu arbeiten – und habe das auch sehr erfolgreich betrieben. 2012 (?) habe ich krankheitsbedingt den Beruf und auch mein bisheriges Leben aufgegeben. Ich bin als 50% Schwerbehinderter vorzeitig in die Altersrente gekommen und konnte mir ohne finanziellen Druck frei aussuchen, was ich mit meiner Zeit sinnvoll anstelle: IKIGAI = tue was du gerne tust, gut kannst, womit du einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistest und wofür du Wertschätzung erhältst.
Tantra/Tantramassage hat mich schon während meiner Studienzeit fasziniert, aber ich habe das nie praktisch betrieben. Jetzt war also die Zeit gekommen: So habe ich erst eine Ausbildung zum Tantramasseur (TMV) gemacht, dann die Ausbildung zum Sexualbegleiter (ISBB und Kassandra/proFamilia).


Wie bist du dann konkret zum ersten Kunden gekommen?
Als Tantramasseur habe ich während der Ausbildung begonnen, diese Massagen auf einem erotischen Datingportal (Joyclub) kostenlos anzubieten, um mehr Praxis zu bekommen, nach bestandener Prüfung dann gegen Bezahlung. Dann habe ich auch freelance in einer Tantramassagepraxis als Masseur und Ausbilder mitgearbeitet. Der Übergang war also fließend, deshalb kann ich mich nicht an das erste mal erinnern.
Als Sexualbegleiter habe ich mich im Januar 2017 im Netz sichtbar gemacht (www.sexualbegleitung.com) und wurde direkt im Februar von der Betreuerin meiner ersten Klientin angeschrieben.

Wie war dieses erste Mal?
Das war ein ganz wunderbares Erlebnis. Wir waren uns direkt sympathisch und recht schnell konnten wir das „Gespräch“ ins Schlafzimmer verlegen. Damals hat die Betreuerin noch die Klientin vom Rollstuhl ins Bett transferiert und sie ausgezogen, ehe sie die Wohnung verließ. Es war so ganz natürlich, Zärtlichkeiten auszutauschen und Sex zu haben.


Wie ging es dann weiter?

Dann kamen immer weitere Klient*innen dazu, sowohl als Massagegäste, als auch als für die Sexualbegleitung, und auch da buchen mich nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch andere, die diese besonders achtsame Art wollen, Sex zu erleben.
Zum Beispiel um ihr erstes Mal Sex zu haben, aber auch den Sex zu erleben, den sie in ihrer Partnerschaft nicht (genug) bekommen.
Inzwischen arbeite ich freelance in einer anderen Praxis als Tantramasseur und Sexualbegleiter und ich bilde mit einer Kollegin zusammen neue Sexualbegleiter*innen aus.

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Bist du Haupt - oder nebenberuflich Sexworker?
Ich bin Rentner. Also ist alles was ich zusätzlich arbeite, nebenberuflich.
Ich kenne nur eine Sexualbegleiterin, die (vor Corona) ausschließlich davon ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Alle anderen brauchen noch einen weiteren Beruf dazu, um genug Geld zu verdienen.
Als Mann sieht es noch einmal sehr viel schlechter aus: für Frauen sind die Hürden offenbar noch mal sehr viel höher um für Sex jemanden zu bezahlen.

Was magst du besonders an der Sexarbeit?
Zum einen natürlich den Sex!
Zum anderen ist es eine angenehme Art, selbstbestimmt Geld zu verdienen: ich entscheide selbst, welche möglichen Klient*innen ich annehme, wie oft ich maximal arbeiten will pro Woche, was ich mit den Klienten mache und was nicht, …
Ich mag besonders, dass ich Menschen ermögliche, sich als ganzer Mensch zu empfinden: als Frau (bzw. als Mann) wahrgenommen zu werden, nicht als Behinderte.
Die Nähe zu anderen Menschen.
Nach gutem Sex hat sich die Seele geöffnet und ich bekomme beim „Nachglühen“ im Bett Sachen erzählt, die diese Menschen sonst keinem anderen Menschen anvertrauen.
Den Beitrag zur Emanzipation, den ich leiste – indem wir Sex haben: das Selbstwertgefühl wird besser, Selbstbewusstsein wird gestärkt.
Und dadurch, dass ich das beruflich mache, kann ich sehr viel mehr Menschen erreichen, als wenn ich das nur privat täte.


Was magst du nicht?
Das Stigma, das der Sexarbeit anhaftet. 

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Gibt es besonders eindrückliche Erlebnis im Zusammenhang mit deiner Sexarbeit?
Besonders eindrücklich ist die erfolgreiche Arbeit mit Frauen, die Missbrauchserfahrungen haben und/oder an Vaginismus leiden. Ich denke da besonders an eine Klientin, die gar keine Lust mehr zulassen konnte, ihren Körper so hasste, dass sie sich schon ganz fürchterliche Verletzungen zugefügt hatte. Dann mitzuerleben, wie sie Berührungen genießt, am ganzen Körper, im Intimbereich und schließlich lustvoll genießt (m)einen Penis in ihrer Vagina zu fühlen, tatsächlich Freude am Sex zu haben.
Aber auch jemandem vor dem Sterben ein letztes mal Sex zu ermöglichen.
Und, und, und …


Was wünschst du dir?
Dass Sexarbeit die gesellschaftliche Wertschätzung bekommt, die ihr zusteht.
Dass es keine gesetzliche Einschränkungen für unsere Arbeit gibt, statt dessen die Anerkennung als Freiberufler und Sozialversicherung wie z.B. bei den Künstlern.
Dass die Sexualität allgemein als menschliches Grundbedürfnis anerkannt wird, wir allgemein ein natürliches, lockeres, positives Verhältnis dazu bekommen. Dass Sex zu haben/haben zu wollen genau so natürlich ist, wie Speisen zuzubereiten, zu sich zu nehmen (alleine oder mit Freunden) und es genau so natürlich wird, auch mal auswärts die Dienstleistungen von Profis in Anspruch zu nehmen: als Fastfood oder im Spezialitätenrestaurant.
Besonders dringend ist es im Bereich der Pflege anzuerkennen, dass im Prinzip alle Menschen dieses Bedürfnis haben, dass das genau so für alte oder Menschen mit Behinderungen gilt. Und dass in diesem Zusammenhang sexuelle Dienstleistungen auch Pflegedienstleistungen von Spezialisten sind.


Was/welche Begabung/ welcher Charakterzug ist notwendig/förderlich um in der Sexarbeit Erfolg und Spaß zu haben?
Ich kann nur über den Bereich der Sexarbeit sprechen, den ich kenne:
Eine positive Einstellung zu Sex, positives Körpergefühl, Selbstliebe, Selbstbewußtsein, Verantwortungsgefühl, Empathie,


Wie ist dein Privatleben bezüglich Sexualität?
Ich mag auch privat gerne Sex.
Ich lebe in einer monogamen Beziehung.
Ich bin Tantriker, d.h. ich sehe keinen Gegensatz zwischen Körperlichkeit und Spiritualität, sondern dass beides zusammen gehört.

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Wie ist deine Meinung über dich?
Ich mag mich!
So im Laufe der Jahre habe ich das ein oder andere gelernt, erkannt.
Ich bin weiter dabei! Is geil: fast 70 und ich lerne immer weiter dazu!


Wie ist deine Meinung der deine KundInnen?
Ich mag meine Kund*innen!
Bei der Tantramassage benutzen wir den Traditionellen Gruß Namasté, was soviel bedeuten soll wie: ich grüße das Göttliche in dir. Und genau so sehe ich meine Klient*innen, auch bei der Sexualbegleitung: sie sind Manifestationen des Göttlichen – wie auch immer ihr Körper, ihre geistigen Fähigkeiten oder ihre psychische Konstitution auch sein mag.


Wie ist deine Meinung im Allgemeinen über Menschen?
Ich mag Menschen im Allgemeinen.
Wir haben tolle Möglichkeiten, aber aus irgendeinem Grund nutzen wir sie nicht immer positiv.
Für mich bleibt, weiterhin das zu tun, was mir das Beste erscheint und was mir möglich ist (“penetrate the world with love“). Was die anderen machen, liegt meist nicht in meiner Hand.


Was bedeutet Sex für dich - WAS IST SEX?
Wir sind sexuelle Wesen, von vor unserer Geburt bis zu unserem Tod.
Sex ist der Grund, warum wir hier sind, aber Sex ist noch sehr viel mehr.
Ich habe mal gesagt: „making art is like having sex“, das geht auch umgekehrt: having sex is like making art. Beim Sex können wir uns mit dem schöpferischen Göttlichen verbinden.
Sex ist ein Weg, Extase zu erleben.
Aber es geht auch eine Nummer kleiner: Sex ist ein Weg, Freude körperlich zu erleben.
Beim Sex können wir uns sowohl mit dem anderen verbinden als auch uns im Universum auflösen.
Wir können ganz zu uns selbst kommen und/oder ganz für den anderen da sein.
Sex hält uns auf ganz freudvolle Weise gesund und fit.
Ein erfülltes Sexleben hilft uns, uns ganz zu fühlen, komplett, vollständig.
Sex ist für alle da, uns daran zu hindern ihn tatsächlich zu (er)leben, verstößt gegen die Menschenrechte.
Oder auch: fuck for peace

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DANKE GUIDO