Nick Laurent

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Nick Laurent Interview 

Was ist dein Fachgebiet?
Manche bezeichnen mich als Menschen, der gut mit Frauen kann... also, ich bin natürlich jemand, der für sexuelle Dienstleistungen gebucht wird. Im weitesten Sinn bin ich ein klassischer Callboy, im engeren Sinn ein männlicher Escort.
Dazu gehört natürlich auch alles, was mit dem Drumherum zu tun hat - sprich: ich versuche natürlich, egal wo das stattfindet, das passende Ambiente zu schaffen. Das hat auch etwas mit meinem eigenen Verhalten zu tun, wie ich auftrete, wie ich mit der Kundin interagiere, wie ich spreche oder zuhöre - also eine Vertrauensbasis zu schaffen, die dann dazu führt, dass die Kundin überhaupt Lust hat, weiterzugehen.
Es geht darum, das Drumherum so zu gestalten, dass es für die Kundschaft en schönes Erlebnis wird - wie auch immer das Erlebnis ausschauen mag. Es kann auch sein, dass es einfach nur um einen netten Abend geht, mit Essen gehen, Kino, Theater, Oper - was auch immer. Oder eben dann auch in die körperliche Aktion übergeht.
Escorts arbeiten in einem privilegierter Bereich insofern, als wir niemandem Rechenschaft schuldig sind - außer du arbeitest über eine Agentur, dann hast du natürlich entsprechende Verpflichtungen gegenüber der Agentur. Aber wir independent Escorts arbeiten nur für die eigene Kasse und wir müssen nichts tun, was wir nicht wirklich wollen. Wir sind tatsächlich frei, die Zeit so zu gestalten, dass es für uns auch wirklich passt.

Welche Leistungen erbringst / welche Wünsche erfüllst du?

Ich erfülle im Grunde genommen alle Wünsche, die für mich möglich sind. Reine Begleitung, das Gespräch (das man auch beim Psychologen / bei der Psychologin bekommt), d.h. ich gehe auch auf Probleme ein. Ich habe einige Kundinnen, die mit Traumata zu kämpfen haben. Die letzten eineinhalb Jahre habe ich eine Zusatzausbildung gemacht als sexocorporel. Das ist ein Teilbereich der psychologischen Arbeit. Man bezieht das Körperliche und das Psychische mit ein, das ist also eine Einheit. Denn viele Probleme, die man im Kopf hat. zeigen sich auch im Körper oder umgekehrt. Das ist im Grunde genommen ein allumfassendes Tool, um bei sexuellen Störungen zu helfen oder bei psychologischen Problemen unter die Arme zu greifen. In dem Bereich biete ich also meine Dienstleitungen an, aber auch im klassisch Sexuellen - man kann mit mir einfach Sex haben.
Bis zu einem gewissen Grad biete ich auch BDSM an, aber nur sehr soft - nichts was bleibende Spuren oder Schäden hinterlässt. Ich habe auch eine Zusatzausbildung in Bondage. Allgemein bin ich eher der dominante Part - ich bin der Dirigent, bzw. der Zirkusdirektor der Show.
Warum Show? Eine Buchung ist nichts anderes als die Erschaffung einer Illusion. Es ist eine Performance, bei der ich mich selbst spiele. Allerdings anders als im Privaten stelle ich meine Bedürfnisse hinten an und schaue, was das Gegenüber braucht. Ich gehe darauf ein und schaffe das Setting für einen schönen Moment.

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Wie ist dein Werdegang – wie und warum bist du zur Sexarbeit gekommen?
Anfang 2006 hatte ich eine persönliche Krise. Ich war damals in einem anderen Bereich tätig und hatte einen Burnout. ich bin ausgebildeter Maschinenkonstrukteur und Informatiker. Ich hatte eine eigene Firma und das Problem, dass ich Dinge nicht abgeben konnte und war dann irgendwann völlig am Anschlag. Ich habe ich dann das Ganze von einem Tag auf den anderen auf Eis gelegt, um mich selbst zu schützen und um mich zu sammeln. Ich war schon immer sexuell sehr offen, mit meiner damaligen Partnerin auch in Swinger Clubs und habe schon damals Komplimente bekommen und gehört, ich solle eigentlich Geld dafür nehmen. Da kam dann eben die Idee auf, Geld mit Sexualität zu verdienen. So habe ich weniger Papierkram und muss dem Geld nicht hinterherrennen.

Wie bist du dann konkret zum ersten Kunden gekommen?
Ich habe damals ein Inserat geschaltet - damals hat man das noch in der Zeitung gemacht. Wider allen Erwartungen kam dann die erste Anfrage und die erste Buchung und auch weitere. Anfang 2007 habe ich meine eigene Website kreiert, die ich entsprechend promotet habe. Dann wurde auch die Presse auf mich aufmerksam. Damals war ich in der Schweiz ein Pionier auf diesem Gebiet - als männlicher Sexarbeiter, der offen dazu steht. Das hatte also im Umkehrschluss zur Folge, dass mir noch mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde und somit noch mehr Kundinnen.

Wie war dieses erste Mal?
Das erste Mal war tatsächlich eine witzige Begegnung, und zwar war das ein Pärchen, das mich gebucht hat. Wir haben uns in einer coolen Bar in Basel verabredet Beide Seiten haben festgestellt, dass es passt und wir sind hundert Meter weitergegangen, wo die beiden ein sogenanntes Kuschel-/Seitensprungzimmer gemietet hatten. Das sind Kleinstwohnungen für Menschen, die nicht ins Hotel gehen wollen, sondern etwas Anonymeres suchen
Die Frau hat mir sehr gefallen und der Mann wollte nur ein bisschen zuschauen. Ich war also mit der Frau zugange und er ist nicht wirklich aktiv geworden, sondern hat nur ein bisschen an sich herumgespielt. Nach der Buchung hatte ich die Geldscheine in der Hand und fand das richtig geil, denn ich hatte auch selbst Spaß bei der ganzen Geschichte.

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Wie ging es dann weiter? Bist du Haupt - oder nebenberuflich Sexworker?
Ich bin mit der Zeit peu à peu aus dem konventionellen, gutbürgerlichen Leben ausgeschieden und jetzt seit einigen Jahren hauptberuflich in der Sexarbeit.

Was magst du besonders an der Sexarbeit?
Ich liebe Frauen, ich finde Frauen spannend. Aber was noch viel spannender ist, sind die Geschichten. Menschen sind mir gegenüber sehr offen, auch im Privaten. Ich bin ein Geschichtensammler.
Und natürlich: ich mag Sex, ich mag das Spiel. Meistens ist es klar, worauf es hinausläuft, weil die Frau konkrete Wünsche äußert. Bei manchen Buchungen ist es aber noch gar nicht klar, dass man im Bett landet. Da wird dann bei mir der Jagdinstinkt geweckt und dann will ich sie kriegen - das ist dann spannend. Ich habe sie noch alle gekriegt.

Was magst du nicht?
Wenn vereinbarte Termine aus fadenscheinigen Gründen abgesagt werden. Ich arbeite international, bin immer unterwegs. Und dieses Unterwegssein setzt eine ziemlich gute Planung voraus, die natürlich durch Absagen durcheinander kommt.
Mittlerweile verlange ich gewisse Anzahlungen, und zwar 15% der angedachten Leistung, mindestens 50,- €.

Gibt es besonders eindrückliche Erlebnisse im Zusammenhang mit deiner Sexarbeit?

Ganz viele! Wo fange ich an? Mich hat mal eine Frau gebucht, so Mitte dreißig, die bisher nur lesbisch gelebt hat. Sie hatte gerade eine beziehungsfreie Zeit und sie genutzt, um herauszubekommen, wie es ist, einen Mann zu haben. Ich fand die Begegnung sehr schön, es war ein vorsichtiges Herantasten, eine Begegnung mit sehr viel Achtsamkeit von beiden Seiten. Die Frau hat mir auch super gefallen, die hätte ich auch an der Bar angesprochen.
Oder was ich natürlich auch immer wieder habe, sind Frauen die top aussehen, aber Probleme mit ihrem Körper haben. Mit meiner lockeren Art gelingt es mir, die Frau dahin zu führen, dass sie kein Problem mehr hat, sich offen zu zeigen und es genießen kann.
Oder eine andere Geschichte: ich habe eine Kundin, der wurde ich weiterempfohlen von einer Kollegin aus dem Kurs, de Psychotherapeutin ist. Diese Kundin war Vergewaltigungsopfer in der Ehe. Sie kam aus einem sehr religiösen Umfeld, wo die Thematik Sexualität und Körperlichkeit sowieso schon ein Problem war. Sie hat mir erzählt, dass sie sich immer hinlegen musste und er hat dann irgendetwas gemacht. Blöd gesagt: er ist über sie drübergerutscht. Das war weder für sie angenehm noch für ihn, weil es beiden weh getan hat. Bei dieser Begegnung war es auch wieder ein vorsichtiges Herantasten mit sehr viel Nähe und Streicheln. Irgendwann meinte sie dann: „ich möchte dich jetzt spüren“. Dann habe ich die Sache umgedreht, sie auf mich hochgezogen und gesagt: „ja, dann mach!“ Das hat dann wunderbar geklappt. Wir sind im laufenden Prozeß, d.h. sie hat mich schon ein paar Mal gebucht und wird es wieder tun. Bei ihr und bei allen Stammkundinnen finde ich es sehr spannend, ihre Veränderung zu beobachten

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Was wünschst du dir?
Für mich persönlich wünsche ich mir, dass ich den Job noch lange machen kann. Weil er mich erfüllt und zu der Persönlichkeit gemacht hat, die ich heute bin. Der Job hat mich geformt, er ist für mich eine Bereicherung in der Entwicklung.
Was ich mir allgemein wünsche ist, dass dieser Job nicht mehr stigmatisiert und diskriminiert wird. Dass diese Arbeit anderen Arbeiten gleichgestellt wird. Ich wünsche mir, dass in der Gesellschaft ein Umdenken stattfindet insofern, als dass wir Sexarbeitende - egal aus welchem Bereich: ob auf der Straße, im Bordell, Laufhaus, Escort, im BDSM Studio, was auch immer - dass wir Respekt bekommen, nicht einfach immer alles, was wir tun als schmutzig betrachtet wird.

Was/welche Begabung/ welcher Charakterzug ist notwendig/förderlich um in der Sexarbeit Erfolg und Spaß zu haben?
Ich denke, als allererstes Empathie, ein gutes Feingefühl für das Gegenüber und Fantasie, Einfallsreichtum.

Wie ist dein Privatleben bezüglich Sexualität?
Ich habe eine feste Partnerin, mit der ich viel Spaß habe und sehr viel experimentiere. Ich unterscheide zwischen beruflicher und privater Sexualität. Bei der beruflichen Sexualität geht es nicht um mich, sondern um die Kundin. Da bin ich im heteronormativen Bereich unterwegs, d.h. ich bediene nur weiblich gelesene Menschen. Im Privaten bin ich ganz anders unterwegs - es geht da natürlich auch um mich, um meine eigene Sexualität. Ich habe dafür inzwischen auch ein Wort gefunden: ich bin pansexuell, d.h. dass ich sehr experimentierfreudig bin und alles möglich ist. Sprich: auch gegenüber anderen Geschlechtern: binär, nonbinär, trans, männlich, weiblich - alles möglich.
Als Paar sind wir kein sogenanntes Swingerpaar - random Begegnungen interessieren uns als Paar absolut null. Mich als Einzelperson eher auch nicht.
Da jede Begegnung Spuren hinterlässt, sind wir sehr vorsichtig, aber möglich ist vieles. Was bei uns sehr wichtig ist, und zwar viel wichtiger als Körperliches, sind die Persönlichkeiten - ist dieser Mensch aufgeräumt im Kopf? Wie ist dieser Mensch?
Wir haben ein gemeinsames Profil bei Joy Club. Das ist das größte deutschsprachige Portal für solche Begegnungen, aber wir haben dort noch nichts Passendes gefunden. Wie ich schon sagte: wir sind sehr wählerisch. Ich denke, es müsste erstmal eine Freundschaft außerhalb sexueller Aktivitäten aufgebaut werden, mit gemeinsamen Interessen etc., bevor es überhaupt in diese Richtung gehen könnte, denn es braucht Vertrauen.

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Wie ist deine Meinung über dich?
Man könnte denken, ich wisse alles, ich hätte schon alles gemacht und kenne alles - aber meine Meinung über mich ist: ich lerne gerne und möchte mich weiterentwickeln. D.h. mein Meinung über mich ist: ich weiß nichts, ich kann nichts, ich lerne.

Wie ist deine Meinung über deine KundInnen?
Ich finde meine Kundinnen klasse, weil sie den Mut finden, ihre eigene Sexualität in die Hand zu nehmen. Es braucht schon viel Mut, als Frau irgendeinen Typen zu kontaktieren und den dann zu sich oder ins Hotel einzuladen. Ich denke, da ist ein großer Unterschied zu Kunden, die Frauen buchen, denn allein biologisch betrachten ist ein Mann einer Frau in der Regel körperlich überlegen. D.h. vor allem in diesem speziellen Kontext läuft eine Frau eher mal Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden, wenn man sich so nah ist. Und es erfordert Mut, so jemanden in sein Leben einzuladen, diese Angst beiseite zu schieben und Vertrauen aufzubauen.

Wie ist deine Meinung im Allgemeinen über Menschen?
Es ist mir egal, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht ein Mensch hat, woher dieser Mensch kommt - das ist mir völlig egal. Im Gegenteil, ich finde es spannend.
Ich ordne Menschen in zwei Kategorien ein: Menschen, die anständig sind, die respektvoll miteinander umgehen, mit denen man auch gerne zu tun haben möchte. Und dann gibt es Menschen, mit denen möchte ich nichts zu tun haben. Prominente Beispiele: Putin und Trump oder AfD Wähler. Menschen, die diskriminieren finde ich scheiße und mit denen möchte ich nichts zu tun haben. Allgemein Menschen, die das Leben anderer nicht respektieren, die einander Schaden zufügen und Dinge kaputt machen - solche Menschen finde ich schwierig. Die blende ich aus, solche Menschen existieren in meinem Leben nicht. Ich umgebe mich nur mit Mensch, mit denen man eine schöne Zeit hat. Und diese Menschen betrachte ich liebevoll und wohlwollend, denn jeder Austausch ist eine Bereicherung. Und je vielfältiger diese Menschen sind, umso besser.

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Was bedeutet Sex für dich – WAS IST SEX?
Der Mensch ist ein sexuelles Lebewesen. Sexualität gehört in unser leben wie das Atmen, das Essen, das Schlafen, das auf’s Klo gehen - es ist einfach ein Grundbedürfnis.
Ich finde, Sexualität beginnt nicht im Bett, sondern in der Begegnung, im Miteinander, in Gesten, einer Berührung, in der Kommunikation, im Gespräch.
Es gibt eine Affenart, die Konflikte mit sexuellen Handlungen kompensieren/beiseite gelegt. Deshalb glaube ich, dass es bei uns Menschen ähnlich ist, dass Sexualität nicht zur reinen Fortpflanzung da ist (so wie es die Kirche möchte). Ich denke, Sexualität ist ein Stress- und Agressionsventil.
Sex ist also wichtig für Sressabbau, das eigene Wohlbefinden, sich spüren. Es ist wie essen: etwas Genußvolles.
Auch Menschen, die asexuell sind, brauchen Nähe. Der Übergang ist fließend. Freundschaftliche und familiäre Nähe kann einem genauso viel bringen und gehört auch in diese Kategorie. Auch wenn es nicht explizit sexuell motiviert ist.
Bekanntermaßen werden bei Hautkontakt Hormone ausgeschüttet, die auch für das Immunsystem gut sind. So betrachte ich Sexualität im weitesten Sinne, sie ist für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit extrem wichtig, und zwar psychisch als auch körperlich.

https://www.callboy-nick.ch/de/

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DANKE GUIDO