Lucien Lafayette

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Lucien Lafayette Interview

Was ist dein Fachgebiet?

Ich bin queerer BDSM-Escort. Das nicht-binäre Pendant mit Schwanz zur klassischen Domina. Ich versklave, fessele, benutze, vergewaltige, foltere, erniedrige und entmenschliche Sklaven und Opfer in beidseitigem Einverständnis. In vielen Fällen geht es dabei gar nicht oder nicht vordergründig um penetrativen Verkehr, sondern eher darum, Gefühlswelten auszuleben, die in unserem Alltag keinen Platz haben, aber für viele Menschen sehr bedeutsam sind.


Welche Leistungen erbringst du?

Ich bereite vorrangig sexuelle Befriedigung und Erfüllung von allerlei Fantasien im Bereich BDSM. Des Weiteren gebe ich Genderconsulting zur Geschlechtsidentifikationsfindung. Helfe Männern, ihre Homosexualität oder homosexuellen Anteile und Ärsche kennenzulernen und zu erforschen. Unterstütze Menschen mit Neigungen abseits der gesellschaftlichen Norm, mit ihrer Sexualität stolz und zufrieden zu sein. Manchmal bin ich aber auch einfach nur derjenige, dem man sein Herz in Sachen Sexualität ausschütten kann, bevor oder nachdem man von ihm in die Glückseligkeit stimuliert wird.

Wie ist dein Werdegang - wie und warum bist du zur Sexarbeit gekommen?

Um es mit der klassischen Redensart zu sagen: Ich war jung und brauchte das Geld. Damals war ich 29 Jahre, Promovend der Neuroästhetik und schrieb meine Doktorarbeit. Leider hatte ich dafür aber kein Stipendium und stand also vor der Frage: "Wie verdiene ich genug Geld und habe dabei noch Zeit zum Forschen?" So fiel mir dann auf, dass die Fähigkeit guten Sex bieten zu können ein großes und monetarisierbares Kapital ist. Also machte ich mir ein Profil als Escort und stellte schnell fest, dass das gut funktionierte und viel Spaß machte. So gut und so viel, dass es inzwischen mein Hauptberuf ist.

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Wie bist du dann konkret zum ersten Kunden gekommen?

Ganz einfach. So wie ich bis heute zu vielen Kunden komme. Über die Internetplattform GayRomeo. Ich führte ein Vorgespräch, machte ein Date aus, traf den Herren, brachte eine gute Serviceleistung, wurde gut bezahlt und war überzeugt, dass Sexarbeit eine gute Idee ist.



Wie war dieses erste Mal?

Nicht sonderlich anders als die folgenden Male auch. Im Prinzip ist Sexarbeit ja wie Sexdaten. Und das kannte ich ja schon davor aus meinem Privatleben. Natürlich sind neue Sachen immer aufregender als schon bekannte, aber etwas besonderes zum ersten Mal gibt es nicht zu erwähnen.



Wie ging es dann weiter?

Danach wurde mein erster Kunde zu meinem ersten Stammkunden und weitere folgten. Ich machte mit der Zeit auch Erfahrungen mit weniger erfreulichen Aspekten der Sexarbeit, wie unzuverlässigen Kunden, Zeitverschwendungen, Stigmatisierung und Fehlkalkulationen im Businessplan. Daraus lernte ich immer entsprechend und wurde langsam nicht nur ein guter Dom und Liebhaber, sondern auch ein guter Geschäftsmensch. Irgendwann zog ich dann nach Berlin und fing an, in unseren SM-Studio (Studio Lux) zu arbeiten. Zu dieser Zeit begann ich ebenso, mich für meine Community zu engagieren und an der Emanzipation meines Fachzweiges mitzuwirken. In der Zukunft würde ich gerne in weiteren Zweigen der Sexindustrie, wie in die Entwicklung von Sexspielzeugen und künstlichem Bewusstsein tätig werden.


Bist du Haupt - oder nebenberuflich Sexworker?

Hauptberuflich.

Was magst du besonders an der Sexarbeit?

1. Ich werde für das begehrt, was ich bin. Als pansexueller, nicht-binärer Fetischist dachte ich in meiner Jugend, mein Sexualleben wäre eher schwierig und von Entbehrungen geprägt. Da ist es sehr heilsam und guttuend zu sehen, dass man so wertvoll ist, dass man sich sogar gut verkauft.

2. Das Umfeld. In der Sexarbeit haben sich teilweise wunderschöne Gewerbe gebildet. Ich geniesse den Kontakt zu meinen Kollegen und Kolleginnen. Fühle mich in meinem Studio so inkludiert wie an keinem anderen Arbeitsplatz. Und verkehre gerne in der sehr emanzipierten Community.

3. Die Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen. Ich bin kein 9to5-Arbeitnehmer und bevorzuge projektbezogene Arbeitszeiten. Ich kann wesentlich besser spontan 24h Vollgas geben als jeden Tag im Büro zu versauern. Außerdem wird meine Sexarbeit zum zeitlichen Großteil im Homeoffice am PC erledigt (Pornos schneiden, Akquise, Werbung, usw.) das ist auch sehr angenehm.

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Was magst du nicht?

Unzuverlässigkeit. Personen, die zeitintensive Gespräche über Dates führen, die dann niemals stattfinden. Wenn man einen Escort anschreibt, sollte man auch willens und fähig sein, einen Escort zu buchen. Sexarbeiter machen Fantasien wahr - sie reden nicht nur darüber. Es ist auch in anderen Selbstständigkeiten so, dass nicht aus jeder Anfrage was wird oder man sich im Gespräch einfach nicht einig wird. Das ist auch in der Sexarbeit voll ok und kann vorkommen, aber in der Sexarbeit sind Vorgespräch und Kostenvoranschlag allein schon höchst erotische Sachen, was auf diesem Bereich zu viel Zeitverschwendung führen kann. Das Unfaire daran ist: die Zeit, die unzuverlässige Kunden beanspruchen wird von den Seriösen bezahlt. Jeder, der es ernst meint, gleicht unterm Strich die Zeit, die andere verschwendet haben mit aus. Mir ist für dieses Problem leider noch kein wirklich kluges System eingefallen.

Gibt es besonders eindrückliche Erlebnisse im Zusammenhang mit deiner Sexarbeit?

Ja, man erlebt wirklich Atemberaubendes als Sexarbeiter und sieht Sachen, die absolut unglaublich sind, aber ein besonders eindrückliches Erlebnis könnte ich ohne nähere Präzisierung der Frage jetzt nicht nennen. Außerdem habe ich Schweigepflicht und Diskretionsgebot und könnte sowieso nicht so sehr ins Detail gehen.
…..bei der Frage nach dem wie weit ich so gehe und der nach krassen Geschichten bin ich noch immer vorsichtig. Sexarbeiter werden immer gerne zur Befriedigung von Sensationslust herangezogen. Und das Intimste, was ich teilen kann, soll keine Sensation für Schaulustige sein, sondern etwas Heiliges zwischen mir und dem, dem ich es angetan habe, bleiben. Ausserdem gibt es immer irgendwen, der meint, Anstoss am Sexualleben anderer Menschen nehmen zu dürfen und daher bleibt das einfach privat. Also tut mir leid, aber die Fragen nach den Superlativen meiner Arbeit kann ich leider nicht beantworten. Ich habe niemals etwas Verbotenes getan, aber die Grenzen menschlicher Sexualfantasien so weit erforscht und verwirklicht, dass ich sagen kann: es gibt dort keine Grenzen. Die menschliche Fantasie und damit auch all ihre Sexfantasien sind grenzenlos.


Was wünschst du dir?

Dass wir nicht weiter kriminalisiert werden. Dass es niemals ein nordisches Model in Deutschland geben wird. Dass Sexarbeit irgendwann als gleichberechtigter und gleichwertiger Fachzweig zu anderen Wirtschaftszweigen gesehen und behandelt wird. Dass mir kein trockener Rotwein mehr als Mitbringsel geschenkt wird, nur weil das als erotisches Getränk angesehen wird. Ich trinke Grauburgunder.



Was/welche Begabung/ welcher Charakterzug ist notwendig/förderlich, um in der Sexarbeit Erfolg und Spaß zu haben?

- Empathie
- Sexpositivität
- Stolz
- und alle Fähigkeiten, die einer selbstständige Tätigkeit dienlich sind.

Wie ist dein Privatleben bezüglich Sexualität?

Mein Privatleben ist privat, aber ich persönlich stehe privat auf dieselben Fetische, die ich auch in der Sexarbeit auslebe.


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Wie ist deine Meinung über dich?

Ich halte mich im Großen und Ganzen für einen tollen Menschen. Fehler habe ich natürlich auch, aber ich mag mich.


Wie ist deine Meinung im Allgemeinen über Menschen?

Die Antwort darauf sprengt jetzt wirklich den Rahmen. Kannst du die Frage etwas präzisieren? Die Frage nach meinem Verhältniss zur Menschheit und dem Menschen ist mir noch immer etwas zu weit gefasst, um sie vollständig zu beantworten, aber ich schreibe einfach mal was dazu.
J a, der Mensch ist sowohlzu grosser Grausammkeit als auch zu grossem Mitgefühl fähig. Leider muss man sich Letzteres leisten können, während Ersteres sehr einfach verfügbar ist. Im Lauf der Jahre habe ich viele Menschen kennengelernt. Und nach 3 Flaschen Champanger, intimem Spiel und gutem Sex fängt so mancher gerne an zu erzählen, was ihm auf der Seele brennt. Das ist auch ok und bei mir gut aufgehoben. Ich bin absolut verschwiegen, aber die Quintessenz über die Menschheit die ich u.a. daraus lernte ist: Niemand denkt von sich, ein eher schlechter Mensch zu sein, aber jeder hält sich für einen eher guten Menschen. Jeder hat ein Leben, das sein Handeln erklärt, auch wenn es andere kritisieren würden. Und jeder kritisiert irgendwen, der sein Handeln erklären kann. Ich kann von mir behaupten, ein grausammer Herrscher zu sein, weil meine Abgünde in einem Rahmen katalisiert sind, in dem sie kein echtes Leid, sondern letztendlich nur Glück beschehren, aber jeder andere der nicht BDSM-Escort ist, ist trotzdem bestrebt ein genau so reines Gewissen zu haben wie ich. Was ich der Menschheit also wünschen würde ist mehr Verständniss für ihre Schlechtheit. Wenn man einen Menschen sieht, dessen Handeln man verurteilt, sollte man ergründen, warum er sein Handeln als gerecht ansieht. Und wenn man selber kritisiert wird, ist wichtiger zu verstehen, wieso andere Menschen dies tun als sich bloss zu verteidigen. Dieses Verständniss ist der Anfang erfolgreichen Zusammenlebends und das Ende von blinden Gewaltkreisläufen. Denn auch wenn ich für andere eine Gottheit bin, so glaube ich selber an keinen Gott. Ich kann nur an die Menschheit glauben. Und das tue ich aus tiefstem Herzen. Egal wie oft sie mich enttäuscht.



Was bedeutet Sex für dich - WAS IST SEX?

Die Frage "Was ist Sex?" halte ich für gefährlich und in sich kontraproduktiv. Jeder Mensch darf Sex für sich definieren wie er, sie oder xier das will. Eine allgemeingültige und/oder unkontextuierte Definition dessen, was Sex ist, führt zu mehr Leid als Klarheit. Diese viel zu universell formulierte Frage kann nicht beantwortet werden, ohne jemandem weh zu tun, also beantworte ich sie nicht und rate davon ab, sie in dieser Form überhaupt zu stellen, denn manchmal fangen große Probleme mit einer scheinbar einfachen Frage an.
Was Sex für mich persönlich bedeutet, beantworte ich aber sehr gerne. Sex ist der intime Kontakt von Menschen mit einem oder mehreren anderen oder sich selbst auf seelischer Ebene. Sex ist eine wahnsinnige Nähe und Tiefe, körperlich und/oder seelisch. Sex ist ein ureigenster instinktiver Teil meiner selbst. Sex ist eine Tätigkeit, in der ich wichtige Teile meiner Persönlichkeit ausleben und entwickeln kann. Sex ist eine Reise. Sex ist Urlaub. Sex ist Erfüllung. Und manchmal ist Sex auch einfach nur geil.

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DANKE GUIDO